Es lohnt sich, die eigene Wertschöpfungskette genauer zu betrachten und aktuelle Themen zu integrieren. So sind Direktvermarkter immer einen Schritt voraus. 
(Dieser Text ist in der Ausgabe 02/2022 im Magazin „Vom Hof“ AVA-Verlag erschienen.)

Der Lebensmittelmarkt ist hart umkämpft. Wer sich behaupten will, braucht pfiffige Ideen, ein Alleinstellungsmerkmal und die Fähigkeit, Trends zu erkennen und aufzugreifen. Nun wollen wir aber nicht warten, bis uns die Muse wieder einmal küsst. Oder uns zufällig ein guter Einfall unter der Dusche kommt. Wir nähern uns der Herausforderung besser auf professionelle Weise. Denn als Direktvermarkter wollen wir keinen Trends aus Industrie oder Politik hinterherhechten. Wir wollen eigene Maßstäbe in der Gesellschaft setzen. Und das geht so. 

Zunächst tauchen wir ab in den eigenen Betrieb. Skizzieren Sie die einzelnen Ebenen Ihrer Wertschöpfungskette:  

  • Auf welcher Basis wirtschaften Sie? (Betrieb, Region, Fläche, Pflanze, Tier, Rasse, …) 
  • Wie wird gearbeitet? (Produktion, Herstellung, Maschineneinsatz, Menschen, Philosophie)
  • Was ist Ihr Produkt/sind Ihre Produkte? (Grundprodukt, Veredelung, Sortiment, Synergien)
  • Wie wird vermarktet? (Vertrieb, Marketing, Verpackung, Service) 
Landwirt überlegt, wie er neue Trends in der Direktvermarktung erkennen und setzen kann.
Foto: stock.adobe.com/Gina Sanders

Nun betrachten Sie die Ebenen im Einzelnen: Welche Besonderheiten fallen Ihnen auf? Was machen Sie anders als andere? Worin sind Sie sehr gut, wo könnten Schwächen liegen? An welcher Stellschraube sollte gedreht werden? Während Sie Ihre Wertschöpfungskette genau prüfen, können Sie bereits über verschiedene Anpassungen nachdenken. Möglicherweise lohnt sich eine andere/besondere Hühnerrasse, oder Ihr Produkt lässt sich durch einen anderen Arbeitsschritt neu veredeln. 

Verborgene Schätze entdecken

Oftmals entdecken Landwirte bei dieser Analyse auch Details in den eigenen Prozessen, die längst ein Alleinstellungsmerkmal ausmachen würden – jedoch bisher nicht als solches betrachtet, geschweige denn vermarktet wurden. 

Wer auf den Gesamtbetrieb schaut, sieht meist den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ideen lassen sich entwickeln, wenn man einzelne Arbeitsschritte überdenkt, überarbeitet und weiterentwickelt. Immer wieder die eigene Wertschöpfungskette mutig durchzudeklinieren, bringt Sie hier ans Ziel. 

Junger Landwirt analysiert seinen Betrieb und die Wertschöpfungskette
Foto: stock.adobe.com/marjan4782

Für die Entwicklung neuer, eigener Ideen und Trends brauchen wir neben der Methodik aber auch Inhalte. Was beschäftigt die Leute momentan? Worüber reden die Kunden, was macht ihnen Sorgen oder Freude? Bleiben Sie über Zeitung, Radio, TV und Gespräche dran an aktuellen Themen in Politik und Gesellschaft, z.B. Klimawandel, Plastiksparen, Artenschutz, Bildung, Familie, Heimattrend, Tierwohl – und leidig, aber allgegenwärtig – Corona. Und fragen Sie sich laufend: Wie kann ich diese Themen für mich nutzen? Und zwar: Bevor jemand danach fragt! Ein paar Beispiele. 

  • Alle wollen Müll vermeiden. Kann ich eine wiederverwendbare, kompostierbare oder recyclingfähige Verpackung anbieten und meine Kunden und Neukunden damit begeistern? 
  • Alle fordern mehr Tierwohl. Kann ich z.B. durch Bruderhahnaufzucht am Ende mehr Eier verkaufen? 
  • Alle fördern den Klimaschutz. Kann ich meine längst integrierte Humusaufbereitung als Verkaufsargument für meine Milch verwenden?
  • Alle stellen die Familie und ihre Kinder in den Mittelpunkt. Kann ich spezielle Familienpakete schnüren oder in meiner Werbung häufiger erwähnen, wie gut sich meine Produkte für die gesunde Ernährung von Kindern eignet?
  • Alle wollen Kontakte vermeiden. Gibt die Pandemie dem Hofladenautomat vor der Tür neuen Aufschwung? „Rund um die Uhr kontaktlos – sicher einkaufen bei uns!“ 

Bei der Entwicklung neuer, mutiger Ideen für Ihre Direktvermarktung geht es also darum, aktuelle Themen und Aspekte in Ihre Wertschöpfungskette zu integrieren. Nutzen Sie Ihre Agilität und die flachen Hierarchien für zügige Entscheidungen. Das kann Ihnen einen Vorsprung gegenüber trägen Industrie- und Handelsunternehmen verschaffen. Reagieren sie schnell, aber nicht übereilt. Und räumen Sie sich eine Testphase ein, um festzustellen: Kann aus der neuen Idee wirklich ein Geschäftsmodell entstehen? 

Der Blick über den Tellerrand

Manchmal lohnt auch ein Blick über den Tellerrand. Vor allem in skandinavischen Ländern ist man bzgl. Tierwohl, Müllvermeidung und gesunde Ernährung deutlich weiter als bei uns. Schauen Sie sich was ab! In Sachen verrückte Geschäftsideen bleiben wohl die Amerikaner ungeschlagen – was treiben die eigentlich so? Oder: Kunden wünschen sich vielerorts wieder mehr Ursprünglichkeit. möglicherweise ist es realistisch und gewinnbringend, bei einem Betriebszweig oder einem bestimmten Arbeitsvorgang wieder so zu arbeiten, wie Anno dazumal. Und vielleicht stoßen Sie ja im Urlaub auf ein spannendes Produkt, das sich auch bei uns erzeugen und vermarkten lässt. 

Darüber hinaus kann Social Media als kostenloser Katalog voller guter Ideen fungieren. Möglicherweise kann der Einfall eines anderen von Ihnen weiterentwickelt und für Ihren Betrieb angepasst werden. Gehen Sie mutig noch einen Schritt weiter als der Kollege. Bestimmt gibt Ihnen der Austausch gute und wichtige Impulse. 

Wer Ideen entwickeln und Trends setzen will, muss in erster Linie den eigenen Betrieb und die Wertschöpfungskette seiner Produkte genau kennen. Gleichzeitig geht es darum, nah an der Gesellschaft zu bleiben, zuzuhören, mitzureden und mutige Gedanken zuzulassen. Keinesfalls müssen und sollen Sie auf jeden Zug aufspringen. Um jedoch langfristig positiv wahrgenommen zu werden und als spannender, professioneller Direktvermarkter zu gelten, ist es unabdingbar, gelegentliche Chancen zu erkennen – und diese gewinnbringend für den eigenen Betrieb zu nutzen.

Viel Erfolg! 

Carolin Nuscheler, Resi Agentur

Titelbild:
stock.adobe.com/triocean